Der Schatz im Edersee
 

Vergangenheit...

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren die Weser und der neu eröffnete Mittellandkanal ein bedeutender Transportweg. Um der Schifffahrt auch in heißen, trockenen Sommern so lang wie möglich einen ausreichenden Wasserstand garantieren zu können, wurde die Errichtung einer Talsperre zur Regulierung der Wassermenge beschlossen.

Die Suche nach einer geeigneten Stelle führte an einen Nebenfluss der Fulda (einer der Quellflüsse der Weser): Die Eder entspringt im wasserreichen Rothaargebirge und fließt durch ein waldreiches Mittelgebirgstal, das sich jenseits des Dorfes Affoldern öffnet. Eine der engsten Stellen des Tales befindet sich nahe dem Ort Hemfurth.

Diese nur etwa 400 m schmale Stelle erschien geeignet, um dort die Staumauer zu errichten. In dem Bereich, der überflutet werden sollte, befanden sich auf einer Strecke von ca. 25 km nur drei kleine Dörfer und wenige weitere Gebäude, sodass nur etwa tausend Menschen ihre Heimat verloren haben und umgesiedelt werden mussten.

Sie errichteten neue Dörfer im Umland. Teils wurden die Kirchen abgetragen und Stein für Stein neu aufgebaut. Die alten Dörfer wurden geräumt und die Gebäude geschleift, bevor der See im Jahre 1914 geflutet wurde. Bis auf eine vollständig erhaltene Brücke im oberen Bereich des Sees blieben nur Ruinen.

Ein weiterer Nutzen des Sees neben der Wasserregulierung war von Anfang an die Stromgewinnung mit einem Wasserkraftwerk am Fuß der Staumauer und einem zweiten, das nicht weit vom See errichtet wurde.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Edersee sehr schnell zu einer Touristenattraktion. Er zieht seither regelmäßig Scharen von Seglern, Anglern, Badegästen und Spaziergängern an. Rings um den See entstanden Einrichtungen, die vom Tourismus leben, wie etwa Campingplätze und Restaurants sowie ein regelmäßiger Schiffsverkehr.

Das einschneidendste Ereignis in der Geschichte des Sees war die Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943. In dieser Nacht des Zweiten Weltkriegs flog eine britische Bomberstaffel Angriffe auf mehrere deutsche Talsperren mit dem Ziel, deren Staumauern zu zerstören.

Am Edersee wurde die Mission erfolgreich abgeschlossen. Durch ein riesiges Loch bahnten sich die Wassermassen ihren Weg talabwärts. Mit ungeheurer Wucht rissen die Fluten alles mit sich, was nicht in rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnte.

Die gesamte Tiefebene im weiteren Verlauf der Eder war überflutet, noch in den an der Fulda gelegenen Städten Kassel und Hann. Münden waren die Folgen der Flutwelle zu spüren. Die Schäden waren enorm.

Bald nach dem Krieg wurde das Loch in der Staumauer wieder geschlossen, und der See konnte seine ursprüngliche Aufgabe wieder erfüllen. Auch der Tourismus lebte wieder auf. In heißen Sommern, wenn Wasser für die Schifffahrt aus dem See gelassen wird, tauchen hin und wieder einige Ruinen wieder aus dem Wasser auf, die dann einen regen Zuspruch erfahren.

 

... und Gegenwart

In normalen Sommern kann man regelmäßig die höher im See liegenden Ruinen besichtigen, die bereits bei noch relativ hohem Wasserstand frei liegen.

Nach Sommern mit langen Hitze- und Trockenperioden erreicht der Wasserstand sein absolutes Minimum. Auf dem größten Teil des Weges ist die Eder dann wieder ein Fluss und der See nur noch kleines Überbleibsel.

Im Herbst 2003 war es nach dem Jahrhundertsommer wieder so weit. Erstmals nach über zehn Jahren waren auch die tiefst gelegenen Sehenswürdigkeiten wieder für wenige Wochen zu Fuß erreichbar. Das Ausbleiben von Badegästen wurde durch den Ansturm auf die alten Dorfstellen wieder kompensiert. Zur besseren Orientierung wurden überall kurzfristig Infotafeln aufgestellt.

Auch ich konnte mich der Faszination nicht entziehen und habe Ende Oktober zweimal – teils auf schlammigem, teils auf grasbewachsenem Untergrund – die alten Landschaften, die sonst von Wasser bedeckt sind, erkundet.

Einige Bilder stammen von einem weiteren Besuch im September 2004. Ich stelle sie Bildern gegenüber, die ich im Vorjahr aus einer ähnlichen Perspektive aufgenommen habe, um den Unterschied zwischen einem beinahe leeren See und dem Pegel nach einem normalen Sommer zu verdeutlichen.

 

Friedhof von Berich

Der Friedhof ist die der Staumauer am nächsten gelegene Stätte. Vor der Flutung wurden alle Gräber mit Betonplatten versiegelt.

Blick zum Friedhof Friedhof von Berich Friedhof von Berich, Schloss Waldeck
im Hintergrund
 

Dorfstelle Berich

Obwohl alle Häuser geschleift wurden und nur noch die Grundrisse der Häuser zu erahnen sind, kann man noch gut ein großes Wirtschaftsgebäude erkennen. Die Kirche wurde abgetragen und in Neu-Berich, wo sich viele ehemalige Bewohner des Tals ansiedelten, wieder aufgebaut.

Blick auf Berich Berich Wirtschaftsgebäude Detail eines Fußbodens
 

Bericher Hütte

Ein paar hundert Meter entfernt vom Dorf stand die Bericher Hütte. Hier handelt es sich um eine alte Eisenerzhütte, die bereits lange vor dem Bau der Talsperre stillgelegt worden war. In der Nähe der Hütte baute man ein Modell der Staumauer, an dem man verschiedene Techniken erprobte. Dieses Modell existiert noch heute und ist nur bei extrem niedrigem Wasserstand zu sehen.

Ruine der Bericher Hütte und
Staumauermodell
Bericher Hütte Blick nach Rehbach Staumauermodell
 

Asel

Der Bereich von Asel fällt immer am frühesten trocken. Hier befindet sich das einzige Bauwerk, das vor der Flutung des Sees nicht zerstört wurde. Die Aseler Brücke ist heute noch bei entsprechendem Wasserstand begehbar und immer wieder eine Attraktion.

Aseler Brücke Blick über das Tal von der
alten Dorfstelle nach Asel-Süd
Grundmauern Die Eder in ihrem alten Bett
 

Bringhausen

Im Bereich von Bringhausen gab es ebenfalls eine Brücke, die zur heutigen Halbinsel Scheid führte (Weg nach Nieder-Werbe). Diese Brücke wurde allerdings zerstört. Bei Bringhausen ist das Tal relativ breit (es verengt sich flussabwärts wieder), und es sind noch viele Grundrisse von Häusern zu erkennen.

Ruinen von Bringhausen Brücke von Bringhausen
nach Scheid
Tal Richtung Rehbach Brücke
 

Rehbach

Rehbach liegt ausgangs einer Ederschleife, die von Bringhausen aus kommend in eine große Ebene führt. Rehbach selbst ist zu hoch gelegen, als dass die Fluten des Sees ihm etwas anhaben können. Von hier bietet sich bei klarem Wetter ein guter Blick zur Bericher Hütte.

Schiffsanleger Rehbach,
26.10.2003
Schiffanleger Rehbach,
01.09.2004
Blick von Rehbach zur
Bericher Hütte, 26.10.2003
Blick von Rehbach zur
Bericher Hütte, 01.09.2004
 

An der Staumauer

01.11.2003 01.09.2004 Schloss Waldeck Staumauer
 

Verschiedene Impressionen

 
Reisen
 
Erstellt am: 07.02.2004
Letzte Änderung: 07.01.2007