Das Quartier Latin und mehr
 

Im Verlauf der Kämpfe der Gallier gegen die römischen Eroberer brannten die Parisii ihre Siedlung nieder, um die Römer daran zu hindern, die Seine an dieser strategisch gut gelegenen Stelle zu überqueren. Nach der Schlacht bei Gergovia 52 vor Chr. jedoch, nach der die Gallier ihren Widerstand aufgegeben hatten, bauten die Römer um das Jahr 50 vor Chr. herum die Stadt als Lutetia nach römischem Vorbild in Stein wieder auf.

Die Keimzelle der Stadt befindet sich auf den Seine-Inseln, doch schon recht bald erweiterte man die Stadt auf die Hügel am linken Ufer. Die letzten Überreste aus römischer Zeit, die man heute noch findet, sind die Thermen  und das Amphitheater. Außerdem entsprechen noch einige Straßenverläufe denen in der Antike.

Obwohl die Siedlungsgeschichte des Quartier Latin bereits in der römischen Zeit nachweisbar ist, stammt die Bezeichnung "Quartier Latin" nicht daher. Im Jahre 1253 gründete hier Robert de Sorbon ein theologisches Kolleg (die Sorbonne). Schon bald wohnten in den Gassen ringsherum überwiegend Studenten und ihre Sprache war Latein, weshalb man dies auf das gesamte Viertel übertrug.

 

Unser Rundgang beginnt ausgangs der Metro-Station ST. MICHEL (übrigens eine recht ungewöhnliche konstruierte Station, da sie Seine-Hochwassern widerstehen muss). Die Treppe führt uns direkt auf die Place St. Michel. Hier sehen wir den St. Michaels-Brunnen aus dem Jahr 1860. Dieser wurde der Fontana di Trevi in Rom nachempfunden und stellt den Kampf des Erzengels Michael mit dem Drachen dar.

Wir lassen zunächst den Boulevard St. Michel rechts liegen und gehen entlang der Seine zur Kirche St. Julien le Pauvre. St. Julien le Pauvre wurde wie Notre Dame im 12. und 13. Jahrhundert errichtet. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit erfuhr sie einige Umbauten. Seit 1889 ist die Kirche im Besitz einer griechisch-katholischen Gemeinde. Ein paar Meter weiter findet man St. Séverin. Diese Kirche aus der Spätgotik gilt als eine der schönsten gotischen Kirchen in Paris.

Die kleinen Straßen rund um St. Séverin waren in alten Zeiten die Wohngegend der Studenten. Heute sieht man hier allerdings fast nur noch Touristen, die von Restaurants beiderseits der Fußgängerzone gelockt werden.

Fontaine St. Michel
Square Viviani und
St. Julien le Pauvre
St. Julien le Pauvre
St. Séverin
im Quartier Latin
 

Die beiden Hauptstraßen, die das Viertel durchziehen, sind die Boulevards St. Germain und St. Michel. Insbesondere am Boul' Mich', wie die Straße von den Einheimischen genannt wird, gibt es viele Läden, in denen die Studenten der Sorbonne und der Kollegien günstig Literatur und andere Dinge kaufen und verkaufen können. Für eine erste Pause lohnt es sich, hier in einem Café einzukehren und das Treiben auf der Straße zu beobachten.

An der Kreuzung Bd. St. Germain/Bd. St. Michel sieht man bereits das Nationalmuseum für das Mittelalter im alten Stadtpalais der Äbte von Cluny aus dem späten 15. Jahrhundert. In einem kleinen Park geht man um das Gebäude herum und gelangt zum Eingang an der Place Paul Painlevé.

Die Ausstellung ist überwiegend dem mittelalterlichen Kunsthandwerk und der Kunst gewidmet. Auch befinden sich hier die Originalköpfe der Königsstatuen von Notre Dame (siehe Kirchen), die während der Revolution abgeschlagen wurden. In den Komplex integriert sind die römischen Thermen, die aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus stammen. Ein Teil ist noch relativ gut erhalten und Teil des Museums.

Nur wenige Meter entfernt steht die Sorbonne. Der überwiegende Teil der heutigen Gebäude wurde im 19. Jahrhundert errichtet, die Kapelle stammt allerdings aus der Zeit des Kardinals Richelieu, der dort auch begraben liegt. Auf der gegenüberliegenden Seite der Rue St. Jacques befinden sich noch weitere Lycées und Collèges, die teils bereits zu Beginn der Renaissance gegründet wurden.

Boulevard St. Michel
Hôtel de Cluny
römische Thermen
Die Dame mit dem Einhorn
Königsstatuen von Notre Dame
die Sorbonne
 

Gehen wir weiter bergauf. Die nächste große Querstraße führt uns zum Pantheon. Louis XV ließ auf dem Hügel Ste. Geneviève aus Dankbarkeit für seine Genesung von schwerer Krankheit eine neue Kirche errichten, die der gleichnamigen Schutzheiligen von Paris gewidmet sein sollte. Der Architekt Soufflot änderte seine Pläne mehrfach, schließlich wurde 1764 der Grundstein für die Kirche gelegt. Nach vielen Schwierigkeiten, die durch den Untergrund und die große Kuppel verursacht wurden, konnte der Bau 1790 unter Soufflots Nachfolger abgeschlossen werden.

Die Fertigstellung fiel in die Zeit der Revolution, als keine Kirchen mehr benötigt wurden. Bereits 1791 beschloss die Nationalversammlung die Umwidmung der Kirche in ein Mausoleum für die großen Männer der Nation. In die Ehre hier zur letzten Ruhe gebettet zu werden kommt nur, wer mindestens zehn Jahre tot ist – für den Fall, dass im nachhinein Taten bekannt werden, die der hohen Würde nicht gerecht werden, wie bei Mirabeau, der mit Voltaire und Jean-Jacques Rousseau eine der ersten Persönlichkeiten überhaupt im neuen Pantheon war (und einer der wenigen, die aus dem Pantheon wieder entfernt wurden).

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wechselte die Bestimmung des Gebäudes mehrfach zwischen Kirche und Mausoleum, weshalb die Architektur immer auch dem Bedarf angepasst wurde. Erst mit der Überführung Victor Hugos 1885 wurde das Pantheon endgültig zu dem, was es heute ist.

Zu den vielen großen Männern Frankreichs, die hier in der Krypta ruhen, gehören weiterhin Soufflot (der Architekt), Jean Monnet, Jean Moulin, Emile Zola und Louis Braille. Nur eine einzige Frau hat bisher aufgrund ihres Lebenswerks Einzug gehalten: Marie Curie.

Wer das Pantheon verlässt, sollte sich Zeit für St. Etienne du Mont nehmen. Diese Kirche ist reichhaltiger gestaltet als das nebenan stehende Pantheon. Bedingt durch eine Bauzeit von über 130 Jahren (1492 – 1626) vereinigt die Fassade Elemente von der Gotik bis zur Renaissance. Bemerkenswert sind hier die drei übereinander gebauten, verschiedenartigen Giebel.

Im hellen Innenraum kann man den einzigen Lettner einer Pariser Kirche bewundern, dessen Bogen neun Meter überspannt und den man beiderseits über eine Wendeltreppe erreicht (ein Lettner ist eine Abgrenzung des Chores zum Kirchenschiff). Eine der Chorkapellen ist der heiligen Genoveva, der Schutzheiligen von Paris geweiht. Wir sollten unseren Weg nicht fortsetzen, ohne die zwölf Glasfenster im Kreuzgang gesehen zu haben, die sich mit verschiedenen Ereignissen des Neuen Testaments und des Christentums auseinandersetzen.

Pantheon
Pantheon und
St. Etienne du Mont
Pantheon (Detail)
St. Etienne du Mont
Lettner
die Glasfenster
des Kreuzganges
 

Über die Rue Clovis und die Rue du Cardinal Lemoine erreichen wir die Rue Monge. Als diese angelegt wurde, stieß man 1869 auf die Überreste des römischen Amphitheaters, der Arènes de Lutèce. Dieses hatte eine geschätzte Kapazität von 15.000 Plätzen, die um ein Oval von 52 m mal 46 m gruppiert waren. Heute wird der Platz von der Bevölkerung unter anderem als Spielfläche für Boules benutzt.

Nur einen Steinwurf (über Rue de Navarre und Rue Lacépède) entfernt kommen wir zum Jardin des Plantes (Botanischer Garten), der uns zum Ausruhen einlädt. Louis XIII ließ an dieser Stelle im 17. Jahrhundert einen Kräutergarten anlegen, der auch schon bald für das Publikum geöffnet wurde. In den folgenden Jahrzehnten arbeiteten hier einige der bedeutendsten Naturforscher Frankreichs. Sehenswert ist das ebenfalls auf dem Gelände liegende Naturkundemuseum.

Am südwestlichen Ausgang des Geländes befindet sich die Moschee von Paris, die in den 1920er Jahren im maurischen Stil erbaut wurde. Sie ist heute das Zentrum moslemischen Lebens in Paris. Es besteht die Möglichkeit, die Anlage (nicht aber den Gebetssaal) zu besichtigen. Es gibt nicht nur die eigentliche Moschee, sondern auch einen Teesalon, ein Dampfbad und kleine Geschäfte in den Gebäuden ringsum.

Rue Monge
Amphitheater
Amphitheater
Jardin des Plantes
Jardin des Plantes
 
 
Libanon-Zeder
Jardin des Plantes
Moschee
Moschee
 
 

Anschließend gelangen wir über die Rue Daubenton wieder zur Rue Monge. Wir wenden uns nach rechts und gehen die Rue Monge hinauf bis zur Place Monge. Hier folgen wir der Beschilderung zu unserem nächsten Ziel, der Place de la Contrescarpe. Über diesen pittoresken Platz gelangen wir zu einer der ältesten (schon die Lutetier kannten hier einen Pfad nach Süden) und belebtesten Gassen der Stadt, der Rue Mouffetard.

Wir folgen der Rue Mouffetard talwärts. Schon immer war sie von vielen Restaurants und Boutiquen flankiert, jedoch galt sie lange Zeit als unsicher und gefährlich. Heute ist sie bekannt für ihren täglichen Markt am südlichen Ende.

Jenseits der Kirche St. Médard kommen wir auf die Avenue des Gobelins. Auf halber Strecke zur Place d'Italie liegt die staatliche Gobelin-Manufaktur. Die hier hergestellten Wandteppiche sind unverkäuflich und werden vom französischen Staat zu besonderen Anlässen als Geschenk überreicht. 1662 gegründet und zeitweise mit über 250 beschäftigten Webern, finden heute gerade einmal etwa 20 Menschen hier Arbeit, die den Beruf auch direkt im Haus erlernt haben.

Place de la Contrescarpe
Rue Mouffetard
Rue Mouffetard
Gobelin-Manufaktur
 

Das Ziel unseres Rundganges erreichen wir schließlich an der Place d'Italie. Dieser Platz ist einer der großen Verkehrsknotenpunkte in Paris. Von hier startete in den ersten Jahren Pari Roller, die bekannte Inline-Tour, die jeden Freitagabend durch die Stadt rollt.

Von der Place d'Italie aus kann man sich nun auf den Rückweg machen, zum Einkaufen die Galerie Italie 2 aufsuchen oder aber das Pariser Chinatown ganz in der Nähe entdecken...

Place d'Italie
Place d'Italie
Italie 2
Chinatown
 
Paris
 
Erstellt am: 19.12.2002
Letzte Änderung: 12.08.2004