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Dienstag, 04. Oktober: Granville - Huisnes-sur-Mer - Mont-Saint-Michel Das ist der erste Bericht, den ich morgens statt abends schreibe. Für die gestrigen Erlebnisse musste ich noch eine Formulierung finden, denn ein spontaner Programmpunkt hat mich einfach zu sehr mitgenommen. Das Hotel hatte ich mit Bedacht gewählt. Ibis hat immer eine reichliche Auswahl an Frühstück. Allerdings war ich zu spät. Den Geruch von Herzhaftem noch im Raum wahrnehmend, musste ich mich mit süßen Köstlichkeiten begnügen. Eine englische Busreisegruppe scheint den ganzen Speck und Schinken vertilgt zu haben. Als es einigermaßen hell ist, setze ich mich ins Auto gen Westen. Die A 84 ist eine mautfreie und trotzdem fast leere Autobahn. Das Hauptziel des Tages ist der Mont Saint Michel. Aufgrund der Witterung während der Fahrt mit Nebel und Regen (tatsächlich!) programmiere ich das Navi auf das zweite Ziel des Tages um. Eine gute Entscheidung. Im Laufe des Tages klart es mehr und mehr auf, gegen Nachmittag sind es wieder gut 20 Grad. Zunächst also geht es nach Granville auf der Halbinsel Cotentin. Dies ist ein Tipp von Emmanuel, seine Mutter wohnt jetzt hier. Und sie wohnt in einem anschaulichen Städtchen. Christian Dior stammt von hier und in einem rosafarbenen Haus hat man wohl ein Museum für ihn eingerichtet. Das interessiert mich kein bisschen. Viel interessanter ist die Altstadt bzw. die Lage der Stadt. Auf einem Felsen ins Meer geschoben, hoch über der Innenstadt ist die historische Oberstadt gelegen. Sie trennt schon optisch Arbeit und Vergnügen. Im Norden sind kilometerweit Strände zu sehen, während im Süden die Häfen liegen. Nach einem ausgiebigen Spaziergang und einer Wanderung auf den Klippen des Felsens der Oberstadt entlang (ehedem auch eine Artilleriestellung des Atlantikwalls) kehre ich zum Auto zurück. Jetzt also zum Mont Saint Michel! Allerdings zieht an der Autobahnausfahrt ein Schild mein Interesse auf sich. Kurz vor dem Mont Saint Michel liegt eine deutsche Kriegsgräberstätte in Huines-sur-Mer. Ich fahre also spontan links ab. Die Eindrücke dort sind überwältigend. In einem großen Rund mit 68 Abteilungen auf zwei Etagen sind gut 12.000 überwiegend deutsche Kriegsopfer bestattet, die in Nordwestfrankreich ums Leben kamen. Schon nach den ersten drei oder vier Abteilungen beschließe ich, ihnen allen meine Ehre zu erweisen. Allein die Lebensdaten lassen schon Aufschluss über die Toten zu. Nicht nur Soldaten, auch Frauen, Greise und kleine Kinder fanden hier ihre letzte Ruhe. Ich war so überwältigt, zwischendurch standen mir mehr als einmal die Tränen in den Augen. Männer, von ihren Familien getrennt, aus der Blüte ihres Lebens gerissen. Jugendliche, denen nicht die Zeit gegeben war, ihr vorherbestimmtes Leben zu leben oder sich selbst zu verwirklichen. Sie alle starben einen sinnlosen Tod und fanden an diesem Ort zusammen. In einer Krypta mit besonders vielen unbekannten deutschen Soldaten schließlich gedachte ich meiner beiden in Russland vermissten Großonkel. Niemand kann dieser deutschen Soldaten gedenken und ihren Familien geht es womöglich wie meiner. So hoffe ich, dass sie alle in Frieden ruhen. Der Mont Saint Michel war dazu das Kontrastprogramm. Ich kam bei Ebbe an, fuhr über den Damm, der mittelfristig durch eine Brücke ersetzt werden soll, und stellte mein Auto ab. Wegen des Damms droht die Bucht, ein flaches Watt, zu verlanden. Seit ein paar Jahren werden Maßnahmen getroffen, um dem entgegenzuwirken, es soll aber noch bis 2014 dauern, bis die Arbeiten abgeschlossen sind. Der Dumont ist hier seiner Zeit voraus, denn die für 2009 gesteckten Ziele sind bei Weitem noch nicht erreicht. Alles war mit Touristen verstopft. So viele Japaner wie hier habe ich letztes Jahr an der Loire nicht und im Verhältnis auch selten in Paris gesehen. Im Sommer möchte ich nicht hier sein. Heute ging es, man trat sich nicht auf die Füße. Immer wieder hielt ich inne, um die Aussicht zu genießen oder mich einfach auszuruhen. Besonders die Besichtigung der Abtei war ein stetiges Auf und Ab über Treppen und Rampen. Zunächst durchquert man auf einer steilen Fußgängerstraße den Ort Mont Saint Michel. Andenkenläden und Restaurants laden geradezu zum Geldausgeben ein, und auch kleine Hotels gibt es hier. Lässt man das Dorf hinter sich, kommt man zur Kirche und zur Abtei. Es ist alles so faszinierend, und das Ensemble ist zu recht seit 1979 ein Weltkulturerbe. Doch die drei Stunden haben durchaus geschlaucht. In etwa auf halber Höhe hielt ich auf der Wehrmauer inne und ließ meinen Blick übers Wattenmeer Richtung der unbewohnten Nachbarinsel, zum nahen Festland, in Richtung Bretagne und auch zur Halbinsel Cotentin streifen. Danach habe ich mir die ehemalige Benediktinerabtei angesehen. Man kann sich noch gut vorstellen, unter welchen Bedingungen Menschen im Mittelalter in den Katakomben unter dem Kloster schuften mussten, damit alles Notwendige an seinen Platz kam. Kurz vor sechs bereiteten sich dann alle Läden auf den Feierabend vor. Die Touristen wurden ausgekehrt, so fuhr ich zurück Richtung Caen. Nach einer kurzen Erholungspause zog es mich in die Stadt zum Essen und Spazierengehen. Ich muss ja schließlich wissen, wohin ich mich heute orientieren muss. Ein Poloshirt hat übrigens genügt, so warm war es noch… |
Erstellt am: 30.10.2011
Letzte Änderung: 31.12.2011 |
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