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Dienstag, 12. Oktober: Reims - Chambord - Blois Der Tag begann mit einem reichhaltigen Frühstück. Gut und ausgewogen war es. Allerdings gab es eine kleine Einschränkung: Die Auswahl an Fleisch beschränkte sich auf Schinken, der wie Formfleischschinken aussah… Danach ging es in die Innenstadt, um die Kathedrale und manches andere zu sehen. Die Zeit war begrenzt, denn es standen noch 300 km bis an die Ufer der Loire an. Außer der Kathedrale hat mich noch ein Museum gereizt. Das hat dummerweise dienstags geschlossen. So beschloss ich, einfach mal ziellos durch die Stadt zu gehen und hier und da zu stoppen. Die Wege durch Reims, selbst für Fußgänger, sind gegenwärtig etwas umständlich. Vor Jahrzehnten gab es eine Straßenbahn. Diese wurde abgeschafft (deren Schienenreste liegen teilweise noch und führen ins Nichts), aber in der Gegenwart besinnt man sich eines Besseren und baut alles von Grund auf neu. Überall in der Innenstadt sind Baustellen. Ich stellte mein Auto in der Nähe des Bahnhofs ab und lief erstmal in die nächstbeste Straße. Das war interessant, denn weder gestern Abend noch kurz vorher bei der Anfahrt hatte ich einen Fluss gesehen. Trotzdem schob sich ein Schiff auf Straßenniveau durchs Bild. Merkwürdig, aber es gibt eine einfache Erklärung: Ein Verbindungskanal zwischen der Aisne (Nordosten) und der Marne (Süden), nicht viel breiter als das Schiff, trennt die nördlichen Stadtteile von der Autobahn und dem Süden der Stadt. Die Innenstadt hat einige schöne Ecken. Auf einem großen, langgestreckten Platz (eher eine Straße, Place Drouet d'Erlon) stehen viele Hütten, die kanadisch geflaggt sind. Leider habe ich nicht herausbekommen, was sie dort feiern. Nachdem ich mir nämlich einen Bildband über Reims gekauft hatte, war alles anders. In Frankreich ist heute Generalstreik. Ein unendlicher Lindwurm Streikender zog durch die Innenstadt, die Buden waren nun geschlossen. Auch insgesamt hielt dieser Streik auf, in dem Fall speziell mich, denn es war vorläufig kein Durchkommen. Nach langen Minuten entschloss ich mich, dann auf direktem Weg zur Kathedrale Notre Dame de Reims zu gehen. Die Kathedrale ist von außen sehr beeindruckend. Viele tausend kleine Statuen zieren die Fassade. Innen ist sie im Verhältnis zu anderen französischen Kathedralen, wie etwa Notre Dame de Paris oder Chartres, sehr schlicht. Sie ist dreischiffig und hat – abgesehen vom Chorraum – keine Seitenkapellen. Und dann noch diese Fenster: Im 20. Jahrhundert mussten drei Fenster im Chorraum ersetzt werden. Die neuen Fenster sind Arbeiten von niemand geringerem als Marc Chagall. Kein Bericht ohne geschichtlichen Hintergrund: Vor elf Jahren hatte ich in St. Denis die Gelegenheit, die dortige Kathedrale zu besuchen. St. Denis ist die Grablege der französischen Könige, worüber auch auf dieser Homepage berichtet wird. Ganz am Anfang ihrer Zeit als König wurden die meisten Könige seit dem Mittelalter in Reims mit einer Flüssigkeit aus einer heiligen Ampulle gesalbt. Nach dem Besuch der Kathedrale führte mich mein Weg dann zurück zum Auto. Die Fahrt lief wenig ereignisreich bis langweilig. Der Vorteil an einer festen Höchstgeschwindigkeit ist eindeutig eine entspannte, spritsparende Fahrweise. Das ist aber auch gleich wieder der Nachteil: Überholmanöver dauern eine Ewigkeit, zwischendurch wäre fast mein rechter Fuß eingeschlafen. Bei fast leerer Autobahn eigentlich Unsinn, aber solange es läuft… Lediglich die Mautstellen hemmen den Verkehrsfluss und bringen Abwechslung hinein. Abbremsen, freundlich grüßen, zahlen und wieder auf 140 beschleunigen. Habe ich 140 geschrieben? Ups. Wir halten und natürlich alle an die gesetzlichen 130. Um Paris herum ist der Verkehr ja immer dicht, das war eine kleine Herausforderung, aber ansonsten freie Bahn aller Orten. Gegen halb vier traf ich dann in Chambord ein. Ich gebe all denjenigen (und es waren viele) recht, die gesagt haben, es sei das schönste Loire-Schloss. Es liegt inmitten einer 65 km² großen Domäne, die von der längsten Mauer Frankreichs umgeben ist. Es liegt aber nicht an der Loire sondern an einem kleinen Nebenfluss, dem Cosson. Von außen schon beeindruckend, überrascht es im Inneren mit einer unglaublichen Vielfalt. Hunderte von Zimmern auf mehreren Etagen, von denen sehr viele den Besuchern zugänglich sind. In fast jedem Zimmer ist ein großer Kamin. Jeder Kamin führt zu einem eigenen Schornstein, was das Hauptgebäude architektonisch unheimlich interessant macht. In der Mitte des Gebäudes verläuft eine Treppe in Form einer Doppelhelix: Zwei ineinander verschachtelte Treppenhäuser, in denen man sein Gegenüber sehen kann, ihm aber nicht begegnet. Ich habe an verschiedenen Stellen gelesen, dass der Entwurf für diese Treppe Leonardo da Vinci zugeschrieben wird. Auch Chambord wäre einen Tag für sich wert, um allein schon Zeit für die gesamte weitläufige Anlage mit Wildtieren usw. zu haben. Aber auch der schönste Tag geht irgendwann vorbei. Jetzt sitze ich in Blois in meinem Hotelzimmer und schreibe, während im Fernsehen die französische Nationalmannschaft ihre liebe Not mit der Mannschaft Luxemburgs hat. Ich war vorhin in der Stadt und wollte, wie gestern in Reims einen Fotorundgang mit Restaurantbesuch machen. Irgendwie ist Blois schlechter beleuchtet als andere französische Städte. Mit meinem Fotoapparat hat es keinen Spaß gemacht, und so habe ich das Abendprogramm auf den Restaurantbesuch gekürzt. Spanisch stand dran, aber auf dem Teller ist etwas Italienisches gelandet, eine lecker belegte Bruschetta. Morgen abend um diese Uhrzeit werde ich dann hoffentlich endlich in Vannes angekommen sein. |
Erstellt am: 10.10.2010
Letzte Änderung: 19.12.2010 |
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