|
|||||
Samstag, 16. Oktober: Vannes - Ile d'Arz - Locmariaquer Schwer zu sagen, ob Montag das bessere Wetter war oder heute. Unterwegs habe ich mehrere Thermometer gesehen, die um die 18 Grad angezeigt haben. Allerdings war der Wind teilweise sehr frisch. Das Wetter in der Heimat dagegen scheint nicht berauschend zu sein, aber das kümmert mich vorerst nicht. Heute wollte ich mir, wenn ich schon hier bin, auch mal das historische Zentrum von Vannes ansehen. Hatte ich schon erwähnt, dass es an der bretonischen Küste kaum mal einen flachen Streifen Land gibt? Das Küstengebirge reicht meist fast ans Meer. So ist auch Vannes an einem Berghang entstanden. Dadurch, dass die Stadt aufgrund ihrer Königstreue im 19. Jahrhundert in ihrer Bedeutung eingeschränkt wurde (Behörden wurden abgezogen), ist sie heute noch im Kern erhalten wie im Mittelalter, während das stattdessen gewachsene Lorient im 2. Weltkrieg durch Bomben zerstört wurde. Der Innenstadt nähert man sich am besten vom Hafen aus, der heutzutage den kleinen Privatjachten vorbehalten ist. An einem Samstag wie heute herrscht geschäftiges Treiben in allen Gassen, denn es ist Markttag, und der Markt ist mein erstes Ziel. Ich bedaure wirklich, keine elektrische Kühlbox im Auto zu haben. Besonders in der Halle Aux Lices (Delikatessenhalle) ist es wie ein Traum. Man kann sie mit der Markthalle in Kassel vergleichen, mit anderen Spezialitäten. Damit das Wasser nicht weiter in meinem Mund zusammenlaufen konnte, habe ich wieder auf Tourismus umgeschwenkt. In Vannes ist noch ein sehr langes Stück der Stadtmauer erhalten. An ihr entlang, im ehemaligen Wehrgraben, ist ein wunderschöner Park angelegt. Dazu kommt dann innerhalb der Mauern (bzw. der begrenzenden Boulevards) ein Gewirr an kleinen Gässchen mit vielen Fachwerk- aber auch Steinhäusern. Vannes gefällt mir besser als Quimper gestern, es ist einfach alles kompakter. Die Kathedrale ist von den umliegenden Gebäuden ziemlich eingeengt. Ihre Mauern sind sehr wuchtig, und im Verhältnis zur Breite ist sie sehr lang. Sie hat nur ein Kirchenschiff mit Seitenkapellen und der Chorraum war scheinbar einstmals von einem Lettner abgegrenzt. Im Chorumgang findet man statt kleiner Kapellen (wie so oft) einen Kreuzweg. Ach ja: Heute war mal wieder Demotag in Frankreich. In Vannes wurde ebenfalls demonstriert, durchaus mit mehr Lautstärke als Dienstag in Reims. Dem bin ich aber ausgewichen. Durch eine Autobrücke mit der Stadt verbunden ist die kleine Insel Conleau. Conleau ist der Ausgangspunkt für den zweiten Programmpunkt, die Ile d’Arz. Die Ile d’Arz gehört zu der großen Anzahl Inseln, die sich im Golf von Morbihan verteilen. Sie ist deren zweitgrößte, und man erreicht sie nur mit einer Barkasse. Die Überfahrt dauert eine gute Viertelstunde. Vom Oberdeck hat man eine hervorragende Aussicht auf den Golf. Auf der Insel empfängt ein hässlicher Anleger die Besucher. Er ist aber auch das einzige Hässliche hier. Wenn man es richtig anstellt, und das habe ich getan, kann man endlos Natur pur genießen. Es sind mehrere Wanderwege über die Insel ausgeschildert. Ich hielt mich direkt an den Küstenwanderweg. In den ersten eineinhalb Stunden habe ich keinen einzigen anderen Menschen gesehen. Ich war allein mit Wind, Wellen und Vogelgeschrei. In der Nähe einer Mühle, die einst vom Gezeitenstrom angetrieben wurde, fand ich einen Ruheplatz sondergleichen. Hier pausierte ich eine gute Viertelstunde und ließ einfach die Natur auf mich einwirken. Irgendwann kam ich dann trotzdem wieder in ein belebtes Gebiet, in eines der Dörfer der Insel. Sicher habe ich nicht alles gesehen, aber so kann ich eines Tages zurückkehren und andere Flecken kennenlernen. Um kurz nach drei fuhr dann die Fähre zurück aufs Festland. Vor der Abfahrt habe ich mich noch schnell in einer Cręperie gestärkt. Zurück in Conleau machte ich zwei interessante Beobachtungen. Zum einen war es wirklich warm. Ich hatte mich zwischenzeitlich schon zweier Schichten Kleidung entledigt, aber so weit wie die Badegäste am Strand wollte ich nicht gehen. Ein Mann war sogar im Wasser, und viele lagen in Badehose oder Bikini im Sand. Übrigens: Stadtpläne, wenn überhaupt, habe ich mir in den meisten Städten in den letzten Tagen erst hinterher besorgt. Das macht es irgendwie spannender. Von Conleau wollte ich nach Locmariaquer fahren, worauf ich am Donnerstag aus Zeitgründen verzichtet hatte. Unterwegs fiel mir eine Kreuzung auf, die ich auf einem großen Stadtplan im Zentrum gesehen hatte. Ich bog nach rechts ab und nach einem guten Kilometer erreichte ich tatsächlich die Place de Cuxhaven. Hässlicher geht es nicht. Ein Meer aus Beton und Asphalt vor riesigen Wohnblöcken. Das einzige, was wirklich hübsch ist, ist eine sehr kleine Kopie der Kugelbake. Nach diesem Eindruck folgte Locmariaquer. Locmariaquer ist auf einer Halbinsel gelegen, die den Eingang zum Golf von Morbihan begrenzt. Bereits in der Steinzeit war dieser Ort bewohnt und ähnlich wie in Carnac hinterließen die Urbretonen eine große Anzahl steinerner Zeugnisse. Das Informationszentrum ist der Zugang zu gleich drei Stätten auf engstem Raum. Es handelt sich um einen 130 m langen Grabhügel, ein Steinkammergrab sowie um einen ehemals 20 m hohen, aber zerbrochenen Menhir. Im Ort verteilt findet man noch weitere Grabstätten, die man auch begehen kann. Deren letzte hatte sich ein wenig vor mir versteckt. Erst auf der dritten Runde fand ich sie, aber ich wollte sie unbedingt sehen, denn nach Auskunft im Informationszentrum ist es die schönste Anordnung. Danach ging es zurück nach Vannes und in einen großen Supermarkt sowie zum Tanken. Das Tanken erwieß sich als schwierig, bis eine offene Tankstelle zu finden war, die auch noch Super hatte. Ich hoffe, das war kein Vorbote, denn selbst in Deutschland scheinen schon die Informationen über Streiks in den französischen Raffinerien angekommen zu sein. Die Pariser Flughäfen haben scheinbar kaum noch Kerosin… |
Erstellt am: 10.10.2010
Letzte Änderung: 24.12.2010 |
|